Sonntag, 3. Juni 2007

So lebte der Höhlenbär im Eiszeitalter



Video: "Grizzlybär" bei "YouTube"

Wiesbaden (welt-der-steinzeit) - Der jungpleistozäne Höhlenbär (Ursus spelaeus) war ebenso wie der Höhlenlöwe und wie die Höhlenhyäne kein nur im Dunkel unterirdischer Verstecke lebendes Tier, wie der Name vermuten lassen könnte. Er suchte bei Tageslicht im Freien nach Kräutern, Beeren und anderen Früchten und verschmähte auch kleine Säugetiere nicht, deren er habhaft werden konnte. Seine flachen und vielhöckerigen Backenzähne deuten jedoch darauf hin, dass der Höhlenbär fast ausschließlich vegetarisch gelebt hat. Diese Annahme wird durch Erkenntnisse gestützt, die Wissenschaftler bei der Untersuchung von Bärenkot in der Salzofenhöhle im Toten Gebirge in Österreich gewannen. Demnach fraßen diese Bären Gräser und Wiesenpflanzen. Pollen bestimmter Pflanzenarten belegten sogar, dass die Höhlenbären auch den Honig wilder Bienen zu schätzen wussten.

Wahrscheinlich haben die Höhlenbären einen unterirdischen Verschlupf nur aufgesucht, wenn sie ihren Winterschlaf halten wollten. Was die Paläontologen zunächst verblüffte, waren die riesigen Knochenansammlungen von Überresten der Höhlenbären, die man in zahlreichen Höhlen fand. So wurden in der Drachenhöhle von Mixnitz an der Mur in der Steiermark etwa 200 Tonnen Höhlenbären-Knochen, die Überreste von mindestens 50000 Individuen, ausgegraben und von Wissenschaftlern der Universität Wien untersucht. Den durch die Knochen und Fledermausexkremente stark phosphorisierten Höhlenlehm baute man zu Düngezwecken ab.

Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Fundplätze von jungpleistozänen Höhlenbären. Solche Reste wurden in Höhlen der Schwäbischen Alb, der Fränkischen Alb, des Sauerlandes, des Bergischen Landes, des Lahn-Dill-Gebietes, der Eifel und des Harzes bekannt. Der Lehm der Bärenhöhle von Erpfingen auf der Schwäbischen Alb etwa ist regelrecht mit Höhlenbärenknochen gespickt.

Bereits 1774 wurden in der Burggaillenreuther Zoolithenhöhle bei Muggendorf (Oberfranken) neben Vielfraß- und Menschenknochen auch Bärenskelette geborgen, die an Museen in aller Welt abgegeben wurden. In einem erst 1971 entdeckten Teil der Zoolithenhöhle fand man weitere unzählige Höhlenbärenknochen. Die in der Petershöhle bei Velden nahe Hersbruck (Mittelfranken) überlieferten Höhlenbärenüberreste dürften von schätzungsweise 1500 bis 2000 Tieren stammen.

Außerhalb Deutschlands waren die Höhlenbären im Jungpleistozän in den Pyrenäen, in Frankreich, in Belgien, in Südholland, in Südengland, der Schweiz, in Österreich, in Italien, auf dem Balkan, im Raum Krakau (Südpolen) und im Kaukasus verbreitet. Die Höhlenbären sind somit eine Säugetierart, die ausschließlich in Europa vorkam. Auffallend ist die ungemein große Variabilität der Knochenfunde dieser Tiere. Sie deuten darauf hin, dass die Individuen im Gegensatz zu den meisten anderen Arten sehr lokal gebunden waren und die Bestände untereinander wenig Kontakt hatten.

Erklärbar werden die zahllosen Bärenknochenfunde dadurch, dass die Höhlen von den Bären viele Jahrtausende lang immer wieder im Winter bewohnt wurden. Manchmal haben Tiere enge Durchschlupfe von Höhlen durch das wiederholte Anstreifen mit dem Fell regelrecht poliert. Im Laufe der Zeithäuften sich wahre Berge von Bärenfossilien an, weil alte, kranke und junge Tiere in den langen Wintern starben, wenn sie geschwächt waren oder sich im Herbst keine großen Fettpolster als Nahrungsreserven hatten zulegen können, Und mancher Höhlenbär erstickte nach einer bisher unbewiesenen Theorie in seiner eigenen verbrauchten Atemluft, wenn die Sauerstoffzufuhr im Winterquartier nicht ausreichte.

In der Mixnitzer Drachenhöhle kam auf drei Männchen ein Weibchen. Dies muss allerdings keinesfalls bedeuten, dass es damals mehr Bären als Bärinnen gab, sondern könnte daher kommen, dass die Weibchen mit ihren Jungen oft kleinere ungestörte Höhlen aufsuchten.

Der Höhlenbär entsprach größenmäßig etwa dem heute lebenden Alaska-Braunbären, der aufgerichtet eine Höhe von zwei Metern erreicht. Er hatte, wie Fossilfunde zeigen, einem massigen Schädel mit einem deutlichen Knick über der Stirn und relativ kurze, aber sehr robuste Gliedmaßen. Die Höhlenbären dürften maximal 20 Jahre alt geworden sein. Alljährlich starb vermutlich etwa ein Fünftel des Bestandes. Etwa 70 Prozent der pro Wurf ein bis zwei Jungtiere erreichten die Geschlechtsreife nicht.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass altsteinzeitliche Jäger das Verschwinden der Höhlenbären ausgelöst haben. Zwar fanden sich häufig Bärenknochen und Werkzeuge des Menschen in denselben Schichten, aber die Tiere und die Jäger müssen sich deswegen nicht zum gleichen Zeitpunkt in der Höhle aufgehalten haben. Auch gibt es keine Anhaltspunkte, dass sich der frühe Mensch ausschließlich auf die Höhlenbärenjagd spezialisiert hätte.

Umstritten ist, ob die eiszeitlichen Jäger einen Bärenkult betrieben. Beobachtungen, wonach in einer Höhle (Wildkirchli) im Säntis (Schweiz) Bärenschädel in steinernen Gräbern deponiert wurden, werden bezweifelt. Höhlenbärenschädel in auffälliger Lagerung, zum Beispiel bis zu zehn Schädel von Steinen umgeben, hat man angeblich auch in der Petershöhle bei Velden in Mittelfranken angetroffen.

Die Bestände der Höhlenbären wurden in Mitteleuropa vor etwa 20000 Jahren, also im Maximum der letzten Vereisung, ganz erheblich reduziert. Sie hielten sich nur an wenigen Stellen noch länger. Womöglich hat ein rascher, grundlegender Klimawechsel gegen Ende der Eiszeit dann den Höhlenbären den Lebensraum und die Nahrungsgrundlage entzogen.

Zu Lebzeiten der eiszeitlichen Höhlenbären existierten in Eurasien auch schon die Braunbären (Ursus arctos). Sie unterscheiden sich vom Höhlenbären unter anderem durch ihre etwa um ein Drittel geringere Körpergröße und kleinere Zähne. Außerdem wirkt ihr Schädel nicht so gedrungen wie derjenige der Höhlenbären. Ans den Braunbären gingen im Jungpleistozän die Eisbären (Thalarctos maritimus) hervor.

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Buchtipps:

Ernst Probst: Höhlenlöwen, GRIN, München 2009
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Ernst Probst: Der Höhlenbär, GRIN, München 2009
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Lesetipp:
Der Höhlenbär
http://www.lonetal.net/urtiere_hoehlenbaer.html