Sonntag, 27. Januar 2008

Das älteste Zeugnis von Kannibalismus










Wiesbaden (archaeologie-news) - Als das älteste Zeugnis von Kannibalismus, bei dem man einen religiösen Hintergrund vermutet, gelten die Skelettreste von etwa 40 Frühmenschen aus der Höhle von Choukoutien, südwestlich von Peking in China. Sie sind etwa 350 000 Jahre alt und stammen von Frühmenschen der Unterart Homo erectus pekinensis. Bei allen Schädeln fehlt die Region um das Hinterhauptsloch, das erweitert worden ist, um das Gehirn herausnehmen und verzehren zu können. Auch die Schenkelknochen sind zerschlagen und geöffnet worden. damit man an das Mark gelangen konnte. Die Reste dieser Kannibalenmahlzeit wurden von 1927 bis 1939 ausgegraben.

Die ältesten Reste einer Kannibalenmahlzeit in Deutschland kamen bei Ausgrabungen in Bilzingsleben in Thüringen zum Vorschein. Dort stieß man auf ein gestampftes Pflaster-Halbrund aus Knochen und Geröll, das als Ritualplatz diente. Dort wurden offenbar vor etwa 300 000 Jahren von Frühmenschen die Schädel verstorbener Angehöriger zertrümmert und deren Gehirn bei einem rituellen Mahl verzehrt. Schnitt- und Ritzspuren auf einem Hinterhauptsfragment von Bilzingsleben könnten von Manipulationen nach dem Tode herrühren.

Die älteste rituelle Tötung eines Urmenschen wird durch den 1933 in Steinheim an der Murr (Baden-Württemberg) entdeckten Oberschädel einer Frau aus der Zeit vor etwa 300 000 Jahren dokumentiert. Diesem sogenannten „Steinheim-Menschen“ ist von Zeitgenossen der Schädel eingeschlagen und danach vom Hals abgeschnitten worden. Vermutlich hat man dann das Hinterhauptsloch gewaltsam geöffnet, das Gehirn entnommen und anschließend gegessen.

Die meisten Reste von Kannibalenmahlzeiten aus der Zeit der späten Neandertaler wurden in Kroatien und Frankreich entdeckt. In der Halbhöhle von Krapina nördlich von Zagreb (Kroatien) barg man von 1899 bis 1905 zerschlagene und teilweise angebrannte Knochenreste von mindestens 24 Menschen. In Hortus (Südfrankreich) wurden Reste von 20 bis maximal 36 Menschen gefunden, deren Knochen allesamt zerbrochen waren und inmitten von Mahlzeit und Tierresten lagen.

Den besten Einblick in die Opferpraktiken der ersten Bauern haben die zehnjährigen Ausgrabungen bei Eilsleben (Kreis Wanzleben) in Sachsen-Anhalt ermöglicht. An diesem Fundort der Linienbandkeramischen Kultur aus der Zeit vor mehr als 5000 v. Chr. barg man Überreste von geopferten Tieren, menschlichen Tonfiguren und Menschen. Die kleinen menschlichen Tonfiguren wurden von den Linienbandkeramikern offensichtlich als lebende Wesen betrachtet. Sie dienten bei Opferzeremonien von Familien als Ersatz für blutige Menschenopfer, wurden jedoch im größeren Kreis auch zusammen mit lebenden Menschen vermutlich einer Fruchtbarkeitsgöttin geopfert.

Zu den ältesten Menschenopferplätzen der Jungsteinzeit in Deutschland gehören neben dem Fundort Eilsleben die Jungfernhöhle von Tiefenellern bei Bamberg, die Höhle Hanseles Hohl im Alb-Donau-Kreis (beide in Bayern gelegen), Ober-Hörgern im Wetterau-Kreis (Hessen) und Zauschwitz (Kreis Borna) in Sachsen. An diesen Orten haben vor mehr als 5000 v. Chr. Angehörige der Linienbandkeramischen Kultur ihre Opfer dargebracht.

Nachzulesen ist dies in dem inzwischen vergriffenen Buch „Rekorde der Urzeit“ des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst. Er veröffentlichte auch die Werke „Deutschland in der Urzeit“, „Deutschland in der Steinzeit“ und „Deutschland in der Bronzezeit“ und betreibt das Weblog „archaeologie-news“ mit der Internetadresse http://archaeologie-news.blog.de