Montag, 4. Juni 2007

Schon in der Steinzeit gab es eine Schrift



Wiesbaden (welt-der-steinzeit) - Die Anfänge der Schrift reichen viel weiter zurück, als man früher dachte. Bereits in der Altsteinzeit vor mehr als 30 000 Jahren stellten Jäger und Sammler kalenderartige Aufzeichnungen her. Schon vor rund 20 000 Jahren gab es vielleicht erste Landkarten. Und die früheste Vorform der Schrift wurde bereits in der Jungsteinzeit vor etwa 5 500 v. Chr. von Angehörigen der Vinca-Kultur entwickelt.

Auf diese wenig bekannten Tatsachen weist der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst in seinem inzwischen vergriffenen Taschenbuch "Rekorde der Urzeit" hin. Er hat sich durch seine Standardwerke "Deutschland in der Urzeit", "Deutschland in der Steinzeit" und "Deutschland in der Bronzezeit" einen Namen gemacht und in "Rekorde der Urzeit" die Zeit von vor etwa 4,6 Milliarden Jahren bis Christi Geburt unseres Planeten unter die Lupe genommen.

Ernst Probst zufolge wurde die älteste kalenderartige Aufzeichnung aus der Kulturstufe des Aurignacien vor mehr als 30 000 Jahren in Deutschland entdeckt. Dieser Fund kam in der Geißenklösterlehöhle im Lonetal (Baden-Württemberg) zum Vorschein. Es ist ein 3,8 Zentimeter langes, 1,4 Zentimeter breites und fast einen halben Zentimeter dickes Plättchen aus Mammutelfenbein. Auf der Vorderseite zeigt es einen Menschen mit hoch erhobenen Armen: die früheste Darstellung eines Betenden. Sein Rand ist auf der Rückseite ringsum gekerbt. Außerdem wurden auf der Rückseite vier Einstichreihen mit unterschiedlich vielen Vertiefungen (nämlich 13, 13, 12 und 10 Vertiefungen) angebracht, die als kalenderartige Aufzeichnungen gedeutet werden.

Als erste Landkarte gilt eine etwa 20 000 Jahre alte Schnitzerei aus Mammutelfenbein von Meshiritsch in der Ukraine. Der Paläontologe Ninel L. Kornijez aus Kiew deutet die Darstellungen auf diesem Fund als Lageplan der Jäger und Sammler von Meshiritsch mit Bäumen, Behausungen aus Mammutknochen und einem Fluss, bei dem es sich um den Ros oder die Rosava handeln könnte. Letztere fließen beim heutigen Dorf Meshiritsch zusammen. Der Ortsname Meshiritsch ist ukrainisch und heißt "zwischen zwei Flüssen". Die Deutung als Landkarte ist jedoch umstritten.

Die früheste Vorform der Schrift wurde vor etwa 5500 v. Chr. zur Zeit der Vinca-Kultur entwickelt, die damals in Serbien, Siebenbürgen und im westlichen Teil Bulgariens heimisch war. Die Ackerbauern und Viehzüchter dieser Kultur ritzten auf der Außenseite von Tongefäßen symbolische Zeichen ein. Sie sind so stark vereinfacht, dass man ihren ursprünglichen Sinn kaum erkennen kann. Die älteren, realistischen Vorbilder für diese Zeichen werden im Südosten bzw. im vorderasiatisch-mediterranen Raum vermutet. Die weitgehende Abstraktion der Zeichen deutet darauf hin, dass damit schon das Stadium der einfachen Bilderschrift überschritten war. Archäologen vermuten, diese Zeichen würden für bestimmte Ideen stehen. Wenn dies zutrifft, handelt es sich um eine Ideenschrift, die man als Vorform auf dem Wege zur Herausbildung der Schrift betrachten kann. Die abstrahierten Zeichen der Vinca-Kultur gelangten in das Verbreitungsgebiet der gleichzeitig existierenden Linienbandkeramischen Kultur (etwa 5500 bis 4900 v. Chr.), die von der Ukraine bis Frankreich verbreitet war.

Die früheste Vorform der Schrift in Deutschland ist aus der Zeit der Linienbandkeramischen Kultur vor mehr als 5000 v. Chr. bekannt. Dabei handelt es sich um abstrahierte Zeichen, die von der gleichzeitig vorkommenden Vinca-Kultur übernommen wurden. Wie die Angehörigen der Vinca-Kultur brachten auch die Linienbandkeramiker die Zeichen auf der Außenseite von Tongefäßen an. Diese Vorform der Schrift konnte bisher nicht entziffert werden. Vielleicht war sie einst nur Priestern vorbehalten und hatte die Funktion einer Geheimschrift.

Die erste Schrift wurde vor etwa 3500 v. Chr. von den Sumerern in Mesopotamien entwickelt. Dort entstand eine von links nach rechts geschriebene Bilderschrift, die wegen der Keilformen, die durch Griffeleindrücke im weichen Ton entstanden, als Keilschrift bezeichnet wird. Aus den Bildern der Keilschrift gingen bald vereinfachte Kombinationen hervor.

Die ersten Zahlen sind von den Sumerern in Mesopotamien um 3000 v. Chr. erfunden worden. Bei ihnen galt ein senkrechter Keil als Einer und ein waagrechter als Zehner. Eine Stelle weiter nach links gerückt, besaß das Zeichen den 60-fachen Wert, zwei Stellen weiter links betrug sein Wert das 60x60-fache, also 3600-fache. Die Zahl 20 wurde in diesem System durch zwei waagrechte Keile an der rechten Stelle (also 2x10=20) dargestellt, fügte man drei senkrechte Keile an der nächsten Stelle links dazu, so ergab dies die Zahl 180 (3x60= 180).

Die erste Schrift in Ägypten ist ab etwa 3000 v. Chr. nachweisbar. Das Prinzip der Hieroglyphen genannten Zeichen beruhte zunächst darauf, dass zeichenbare Gegenstände standardisiert gezeichnet wurden und mit dem Dargestellten das entsprechende Wort verkörperten. Solche Zeichen benutzte man allmählich für Wörter, die ähnlich lauteten und sich zeichnerisch nicht darstellen ließen. Begriffe, für die kein zeichenbares klingendes Wort verfügbar war, buchstabierte man, setzte sie also zusammen und versah sie mit einem Derminativ zur eindeutigen Unterscheidung. Auf diese Weise konnte man sogar komplizierte Sachverhalte beschreiben.

Die erste Tinte wurde von den Ägyptern und Chinesen um 2600 v. Chr. aus Ruß hergestellt, den sie durch Verbrennen von Öl gewannen und mit Wasser vermischten.

Die ersten Kalender Asiens wurden von den Babyloniern in der Zeit zwischen 2000 und 1000 v. Chr. verwendet. Auf Tontafeln sind königliche Erlasse verzeichnet, wann dem Kalender ein weiterer Monat hinzugefügt werden sollte.

Als älteste schriftlich überlieferte Rechtssammlung gilt der vor etwa 2100 v. Chr. verfasste Urnammu-Codex. Er wurde von König Urnammu, dem Herrscher von Sumer und Akkad, in Mesopotamien erlassen.

Die erste Schrift in Europa wurde vor etwa 1800 v. Chr. auf der Mittelmeerinsel Kreta verwendet. Auf dem griechischen Festland setzte sich die Schrift erst vor etwa 1300 v. Chr. durch. In Mitteleuropa kam das griechische Alphabet erst kurz vor Christi Geburt in Mode, womit auch dort die Urgeschichte endete.

Der älteste Hinweis auf Algebra ist auf einer ägyptischen Handschrift, dem so genannten Rhindpapyrus, aus der Zeit um 1700 v. Chr. enthalten. Der Verfasser des Textes namens Ahmes stellt darauf folgende Aufgabe: "Ein Haufen zusammen mit einem Siebtel seiner selbst ergibt 19; wie groß ist der ursprüngliche Haufen?"

Die älteste Nachricht über Seeräuber stammt aus der Zeit vor etwa 1350 v. Chr. Dabei handelt es sich um einen in ein Tontäfelchen geritzten Brief an den ägyptischen Pharao Echnaton. Das Schriftstück wurde in dessen Staatsarchiv entdeckt. Darin teilt der Briefschreiber dem Herrscher mit, dass die Küste Nordafrikas alljährlich von Seeräubern aus dem Lande Lukki überfallen werde. Als Lukki wurde von den Ägyptern die Piratenküste von Lykien im Süden der heutigen Türkei bezeichnet.

Der älteste Gegenstand mit dem Namen des israelitischen Gottes stammt aus der Zeit vor etwa 700 v. Chr. Es ist ein silbernes Amulett, das in der Altstadt von Jerusalem entdeckt wurde. Darauf ist der Name "Jahwe" ("Gott" auf hebräisch) eingraviert. Der Fund ist zu Lebzeiten des Propheten Jesaia, der die "Heiligkeit" Jahwes in der Bibel beschreibt, angefertigt worden.

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