Montag, 4. Juni 2007
Steinzeitmenschen trugen Hüte, Jacken, Hosen und Mäntel
Wiesbaden (welt-der-steinzeit) - Dank archäologischer Funde und Darstellungen auf Kunstwerken weiß man heute über die Kleidung der Menschen in der Steinzeit gut Bescheid. Nachgewiesen sind Lendenschürze, Hüte, Jacken, Hosen, Mäntel, Gürtel, Knöpfe und Schuhe. Dies berichtet der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst in seinem inzwischen vergriffenen Taschenbuch "Rekorde der Urzeit".
In diesem Buch werden außer Klima, Gebirgen, Tälern, Meeren, Inseln, Vulkanen, Flüssen, Seen, Sümpfen, Bodenschätzen, Pflanzen- und Tierwelt auch die Menschen sowie deren Größe, Krankheiten, Verletzungen, Wohnstätten, Feuer und Wasser, Kleidung, Nahrung, Jagd, Sammeltätigkeit, Werkzeuge, Waffen, Ackerbau, Viehzucht, Gefäße, Möbel, Metalle, Verkehrswesen, Körperpflege, Sport, Schmuck, Tauschgeschäfte (Handel), Kunst, Religion und Schrift behandelt.
Nachfolgend das Kapitel über Kleidung aus dem Taschenbuch "Rekorde der Urzeit":
Die ersten Kleidungsstücke sind wahrscheinlich irgendwann vor mehr als 1 Million Jahren von Frühmenschen getragen worden. Dies ist zwar nicht durch archäologische Funde belegt, wird aber von den Prähistorikern vermutet. Mit dem Übergang zur Jagd und der damit verbundenen Gefahr einer Überhitzung des Körpers bei längerer schneller Fortbewegung hatten die Vormenschen in Afrika größere Überlebens- und Fortpflanzungschancen, da sie weniger behaart waren. So verloren die Menschen allmählich Teile der Körperbehaarung. Andererseits wurde es notwendig, sich in den kalten Tropennächten zu schützen. Mit dem Vordringen in gemäßigte und kalte Regionen (Europa) war neben Feuer auch Kleidung unbedingt notwendig. Dies dürfte vor mehr als 1 Million Jahren der Fall gewesen sein. Wie diese Garderobe aussah, weiß man nicht. Als Rohmaterial boten sich Felle oder Häute von erlegten Wildtieren an.
Die ältesten archäologischen Hinweise auf Kleidung findet man an manchen Kunstwerken aus der Kulturstufe des Aurignacien in Europa. Das nach einer Fundstelle in Frankreich benannte Aurignacien währte in Mitteleuropa von vor etwa 35000 bis 29000 Jahren. Die Jäger und Sammler des Aurignacien waren in Mitteleuropa die ersten anatomisch modernen Menschen. Sie haben auch die ersten Kunstwerke geschaffen, unter denen es Menschendarstellungen gibt, deren Details mitunter Anhaltspunkte für die damalige Bekleidung liefern. Demnach scheinen die damaligen Jäger und Sammler im Sommer unter anderem einen Lendenschurz getragen zu haben.
Die älteste Darstellung eines Lendenschurzes ist auf einem Elfenbeinplättchen mit dem Halbrelief eines Menschen aus der Geißenklösterlehöhle (Alb-Donau-Kreis) in Süddeutschland erkennbar. Der lange Fortsatz zwischen den Beinen wird von manchen Prähistorikern als Lendenschurz gedeutet. Dieses Kunstwerk stammt aus dem Aurignacien vor mehr als 32 000 Jahren.
Die älteste Darstellung einer Kopfbedeckung ist aus dem Gravettien vor mehr als 21 000 Jahren in Frankreich bekannt. Dabei handelt es sich um ein aus Mammutelfenbein geschnitztes Köpfchen aus der Grotte du Pape von Brassempouy in Frankreich, das eine kapuzenartige Kopfbedeckung trägt. Das Gravettien ist nach einem französischen Fundort benannt und währte etwa von 28 000 bis 21 000 Jahren.
Die frühesten Darstellungen von Gürteln fand man ebenfalls auf Kunstwerken aus dem Gravettien in Frankreich. Je ein Gürtel ist an einer männlichen Elfenbeinfigur aus der Grotte du Pape von Brassempouy und an einer männlichen Figur auf einem Kalksteinrelief in der Halbhöhle von Laussel bei Marquay in der Dordogne zu sehen.
Die besten Hinweise über die Kleidung in der Altsteinzeit lieferten drei Bestattungen aus dem Gravettien vor mehr als 21000 Jahren in Sungir bei Vladimir unweit der russischen Hauptstadt Moskau. Aus der Lage des aufgenähten Schmuckes aus Tierzähnen, Mammutelfenbein und durchlochten Schneckengehäusen ließ sich das Aussehen der damaligen Ober- und Unterbekleidung rekonstruieren. Die 1964 in Sungir entdeckte Bestattung eines Mannes zeigte, dass dieser eine Jacke aus Pelz oder Leder ohne Vorderausschnitt, eine Hose aus Pelz oder Leder sowie leichte Schuhe in der Art indianischer Mokassins trug. Die Hose wurde an den Knien und an den Knöcheln durch eine lederne Schärpe zusammengezogen, die mit Perlen geschmückt war. Die 1969 gefundenen Bestattungen von zwei Kindern in Sungir lieferten Anhaltspunkte für eine reich mit Knochenperlen verzierte Pelzmütze, eine kurzgeschnittene Oberbekleidung und Pelzstiefel.
Die ältesten Darstellungen von einer den ganzen Körper bedeckenden Bekleidung wurden an den sibirischen Fundorten Buret und Malta in der Gegend von Irkutsk entdeckt. Es handelt sich in beiden Fällen um schlanke und hohe Menschenfiguren mit eng anliegender Bekleidung und den Kopf bedeckender Kapuze. Diese Darstellungen sind schätzungsweise mehr als 15 000 Jahre alt.
Zu den ältesten Knöpfen gehören die Funde vom Petersfels bei Engen-Bittelbrunn (Kreis Konstanz) in Süddeutschland. Diese Knöpfe in schmaler D-Form aus fossilem Holz (Gagat), Sandstein und Knochen sind von Jägern und Sammlern aus dem Magdalénien vor mehr als 12 000 Jahren hinterlassen worden.
Die ältesten Schuhe wurden aus der Zeit der mittelsteinzeitlichen Desert Culture (Wüsten-Kultur) um 7000 v. Chr. in Nordamerika entdeckt. Dabei handelt es sich um geflochtene Sandalen aus Binsen, Gras oder Salbei.
Die ersten Kleidungsstücke aus Schafwolle oder Lein in Mitteleuropa wurden vielleicht von Ackerbauern und Viehzüchtern der Linienbandkeramischen Kultur um 5500 v. Chr. hergestellt und getragen. Da man in dieser Kulturstufe zum erstenmal in Mitteleuropa Schafe als Haustiere hielt, hätte man aus deren Wolle Kleidung anfertigen können.
ältesten Gürtelverschlüsse kennt man aus der Zeit der Linienbandkeramischen Kultur vor mehr als 5000 v. Chr. im Gräberfeld von Aiterhofen-Ödmühle (Kreis Straubing-Bogen) in Niederbayern entdeckte man beispielsweise Gürtelverschlüsse aus Spondylus-Muscheln mit V-förmigem Einschnitt oder Knebel aus Hirschgeweih.
Die ältesten Hüte aus der Zeit um 4000 v. Chr. wurden in der Seeufersiedlung Hornstaad-Hörnle I am Bodensee in Süddeutschland entdeckt. Von ihnen blieben an diesem Fundort kegelförmige Vliesgeflechte erhalten, die als spitzhutartige Kopfbedeckungen gedeutet werden.
Die ältesten Reste von Mänteln aus der Zeit um 4000 v. Chr. sind ebenfalls in der Seeufersiedlung Hornstaad-Hörnle I geborgen worden. Es sind dichte Zwirngeflechte aus Bast, die von mantelartigen Umhängen stammen.
Besonders viel über die Garderobe in der Jungsteinzeit vor mehr als 3000 v. Chr. verriet die am 19. September 1991 in Nähe des Similaun-Gletschers in den Ötztaler Alpen (Tirol) entdeckte mumifizierte, vom Gletschereis eingeschlossene Leiche eines Mannes, der als "Similaun-Mann" oder "Ötzi" bezeichnet wird. Dieser Mann trug wetterfeste Kleidungsstücke, die innen mit Heu gefüttert waren, Schnürschuhe (Größe 38) aus Wildleder, "Socken" aus Birkenrinde und mit Gamshaar gefütterte Handschuhe.
Die ersten Stecknadeln aus Kupfer, Dornen oder Fischgräten dienten vor 3000 v. Chr. zum Zusammenhalten von Kleidungsstücken in Ägypten.
Die ältesten Schuhreste in Deutschland kamen in der Seeufersiedlung Allensbach (Kreis Konstanz) in Baden-Württemberg zum Vorschein. Dort hat man 1984 und 1986 Geflechtreste von sandalenartigen Schuhen aus flachen Baststreifen aus der Zeit um 3000 v. Chr. entdeckt. Besonders gut erhalten ist der letztere Fund. Dabei handelt es sich um einen 24,9 x 12,5 Zentimeter großen Schuh, was der heutigen Schuhgröße 36 entspricht. Diese Schuhreste kamen in einer Siedlung der nach einem Schweizer Fundort benannten Horgener Kultur ans Tageslicht. Die Horgener Kultur war zwischen 3300 und 2800 v. Chr. in der Schweiz und in Süddeutschland verbreitet.
Die ersten Kleidungsstücke aus Baumwolle wurden zur Zeit der Industal-Kultur in Indien und Pakistan um 2500 v. Chr. getragen.
Die ersten weißen Leinenschürzen und Mantel sind um 2500 v. Chr. von Beamten und Würdenträgern in Ägypten getragen worden.
Die am besten erhaltenen Kleidungsstücke der Urgeschichte hat man in Baumsärgen aus der nordischen Bronzezeit in Dänemark und Schleswig-Holstein geborgen. Diese Funde stammen aus der Zeit früher als 1200 v. Chr. In den Baumsärgen blieben wegen besonders günstiger Erhaltungsbedingungen komplette Gewänder erhalten. Die Männer in Dänemark trugen damals Mütze, Mantel, Kittel, Wadenbinden und Schuhe, die Frauen Mantel, Bluse im Kimonoschnitt, knöchellangen Wickelrock und Gürtel. Ein in Egtved (Dänemark) in einem Baumsarg bestattetes junges Mädchen war neben einer Bluse mit dreiviertel langen Ärmeln mit einem kurzen Rock aus Schnüren bekleidet.
Die ersten Schirme aus der Zeit um 1000 v. Chr. in Ostasien und im Vorderen Orient dienten nicht als Schutz vor dem Regen, sondern vor der Sonne. Sie galten damals als Herrschafts- bzw. Statussymbol, hatten ein Gerippe aus Bambus oder Sandelholz und waren mit Blättern oder Federn überzogen. Regenschirme kamen erst im antiken Rom in Mode.
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Der Autor Ernst Probst
Der 1946 in Neunburg vorm Wald in Bayern geborene Wissenschaftsautor Ernst Probst hat sich vor allem durch seine Bücher "Deutschland in der Urzeit", "Deutschland in der Steinzeit" und "Deutschland in der Bronzezeit" einen Namen gemacht. Seine Standardwerke über die Steinzeit und Bronzezeit werden in mehreren Bänden des ZEIT-Lexikon erwähnt.